Syrer holt Familie nach Wuppertal: Flüchtlinge gelten als Touristen

20 Angehörige gelten als Touristen, Verwandter trägt die Kosten.

Syrer holt Familie nach Wuppertal: Flüchtlinge gelten als Touristen
Foto: Tobias Kestin

Wuppertal. Eine Unterschrift kann viel nach sich ziehen: ein neues Auto, manchmal die viel beschworene Waschmaschine. Die Folgen der Unterschrift, die Dr. Amin Muhamed vor rund zwei Monaten leistete, sind dagegen unbezahlbar: Sie hat 20 Menschen aus Syrien das Leben gerettet. Muhamed unterschrieb eine Verpflichtungserklärung, die seiner Familie ein Visum ermöglicht hat, mit dem sie vor den Schrecken des Bürgerkrieges fliehen konnte.

Aber die Unterschrift hat für Muhamed sehr wohl finanzielle Folgen. Es ist teuer, 20 Menschen in Wuppertal zu ernähren. Selbst wenn die Stadt sein Engagement für mehr als ehrenhaft hält — helfen darf sie nicht. Rechtlich gesehen sind die Flüchtlinge Touristen, der Gastgeber kommt auf für Kost und Logis.

Damit Deutschland zum Gastgeber wird, müssen die Syrer Asyl beantragen, das dann am Ende auch genehmigt wird. Durch den Bürgerkrieg ist der positive Bescheid derzeit eher eine Formalie — die Bearbeitungszeit braucht. Bis zu sechs Monate kann es dauern, bis der Aufenthaltsstatus geklärt ist. „Aber würden sie zögern, wenn sie mit einer Unterschrift Leben retten können?“ fragt Dr. Amin Muhamed.

Er ist vor 20 Jahren aus Syrien geflohen, er wurde vom Assad-Regime verfolgt. Nun folgt die Familie, eine Nichte mit 12 Monaten die Jüngste. Der Schwiegervater mit 60 Jahren ist der Älteste. Sein Schwiegervater ist gehbehindert, Folgen der Folter im Gefängnis der Staatspolizei. Muhamed: „Ihm wird zum Glück in Deutschland geholfen.“

Im Mai hat Muhamed rund 7000 Euro ausgegeben, seine Familie ist bei ihm und Freunden untergekommen. Solange das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, gilt für die syrischen Familienangehörigen ein Arbeitsverbot. Auch bei Integrationskursen sind sie derzeit noch außen vor.

„Es ist unglaublich großartig, was er gemacht hat“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Aber leider seien der Stadt die Hände gebunden. Durch die Verpflichtungserklärung habe er die finanzielle Verantwortung für die Familie übernommen. „Anders hätte er auch kein Visum bekommen.“

Die ersten Asylanträge hat die Familie bereits vor rund vier Wochen gestellt. Erste Interviews seien bereits geführt worden, es fehlt nur noch das Okay, dass die Familie legal hier bleibt. Wegen der schlimmen Schicksale versuche die Ausländerbehörde, unbürokratisch zu helfen, soweit es im rechtlichen Rahmen möglich ist. Dass die Wuppertaler Behörde alles Mögliche tut und versucht, bestätigt auch Dr. Muhamed: „Ich bin Frau Neuberger sehr dankbar, wie gut sie uns hilft.“

Vor einer Abschiebung muss die Familie keine Angst haben: Das Innenministerium hat Abschiebungen bis zum 30. September ausgesetzt — eine Verlängerung ist wahrscheinlich.

Trotz Visum und Verpflichtungserklärung: Der Weg aus dem syrischen Norden bis nach Deutschland war kein einfacher, berichtet Dr. Muhamed. Es gab keine Möglichkeit, aus Syrien mit dem Flugzeug herauszukommen. Die Menschen wurden in die Türkei geschmuggelt. Erst von dort aus ging es dann mit dem Flugzeug nach Deutschland.

Gerade dass sie nicht arbeiten dürfen, belastet die Familie. Alle sind aus der Mittelschicht, unter anderem haben sie Kühlschränke gebaut. Jetzt sitzen sie hier und langweilen sich. Der Wille zur Integration aber ist da.

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