Weihnachten: Nicht nur Christen mögen Geschenke

Sie leben seit Generationen mit dem Weihnachtsfest — immer mehr muslimische Familien feiern mit und beschenken sich.

Wuppertal. „Gutes Essen gibt es bei uns immer“, sagt Mustafa Öztürk und streichelt sich wie zur Selbstbestätigung zufrieden den Bauch. Dann guckt er seine Töchter an: „Woll?“ Der 42-Jährige sitzt im Familienkreis in der Wohnung in Barmen und denkt über Weihnachten und seine Bräuche nach und darüber, dass muslimische Kinder wie ihre christlichen Mitschüler sind: Wenn es um Geschenke geht, gibt es keine religiösen Grenzen, nur die der elterlichen Nerven.

Seit einem halben Jahrhundert leben und arbeiten Muslime in Deutschland ihre Kinder gehen hier in Kindergärten und Schulen. Und dort kommen sie alljährlich nicht um Martinszüge, Krippenspiele und Bastelnachmittage mit Kaffee und Kuchen drumherum.

Und Tochter Sevil hat schon ihr Weihnachtsgeschenk bekommen: ein Handy. Den kleinen untypischen Vorteil muslimischer Kinder ignoriert sie: Sie bekommen ihre Geschenke auch schon einmal vor Weihnachten, wenn es sich ergibt. Die 13-Jährige geht auf die Realschule Hohenstein und kennt keinen muslimischen Mitschüler, der an Weihnachten nichts geschenkt bekommt. Und auch bei den Weihnachtsaufführungen würden diese immer gefragt, ob sie mitmachen wollen: „Manche machen mit, andere nicht. Wie bei den Christen auch.“

Weihnachtsschmuck sucht das abendländische Auge vergeblich, nur ein Weihnachtsstern auf dem Tisch erinnert an das Fest außerhalb der Wohnung. Da aber gibt es klein Entrinnen: Die achtjährige Seray hat in der Schule Weihnachtskarten gebastelt — „Merry Christmas and a happy new year“ steht darauf. Eine bekommt auf jeden Fall der Opa. Jedes Jahr stellt die Grundschülerin einen Stiefel an Nikolaus vor die Tür. „Und der Opa tut immer eine Kleinigkeit rein“, sagt Mustafa Öztürk zufrieden.

Der 42-Jährige ist mit einem Jahr nach Wuppertal gekommen. Seine türkische Herkunft hört man nicht mehr, Wuppertaler Dialekt und das allgegenwärtige „Woll“ haben sich niedergeschlagen. „Bei uns war das damals noch anders, wir kannten ja nur andere Türken aus unserem Umfeld“, erklärt er. Weihnachtsgeschenke haben in seinem Haus mit den Kindern einzug gehalten. Sevil ein Handy, der 17-Jährige Serkan macht bald Abi und kriegt was für den Computer. Und Sevil? „Ich will mich überraschen lassen.“

Dabei sind die Öztürks gläubige Muslime. Samstags und sonntags fährt die ganze Familie in die Moschee nach Wichlinghausen, Mustafa auch zum Freitagsgebet. Trotzdem findet Mustafa, dass nirgendwo geschrieben stehe, sich nicht mit dem Christentum beschäftigen oder an manchen seiner Bräuche teilnehmen zu dürfen, denn „Wissen schadet nie“.

Im Übrigen freuen sich alle auf drei freie Tage. „Manchmal bleiben wir den ganzen Tag im Bett“, verkündet Seray und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Und vielleicht, hofft Mustafa Öztürk, kommen ja bald seine nicht-muslimischen Kollegen beim Opferfest zum Essen und die christlichen Mitschüler von Seray, Sevil und Serkan bekommen zum Zuckerfest Geschenke.

Außerdem ist da noch Silvester: Und das ist auch bei Muslimen Nichts ohne großes Essen und Feuerwerk.

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