„Wir fällen nur, wenn’s sein muss“

Annette Berendes, Leiterin des städtischen Ressorts Grünflächen und Forsten, über Baumfällungen.

Annette Berendes mit einem Gelbholz-Strauch aus den USA.

Annette Berendes mit einem Gelbholz-Strauch aus den USA.

Foto: Fries, Stefan (fr)

Frau Berendes, die Stadt hat in diesem Jahr mehr als 120 neue Bäume gepflanzt. Sie sollen gefällte Hölzer ersetzen. Reicht das?

Annette Berendes: Leider haben sich in diesem Jahr die Fällungen gehäuft, vor allem in Vohwinkel. Die Stadt verantwortet davon nur einen Teil. Der Rest stammt von Straßen NRW, Staatsforst und Privatleuten. In den Grünanlagen und im Straßenraum wurden im vergangenen Winter 109 Bäume gefällt.

Sprechen wir nur von alten oder kranken Bäumen?

Berendes: Fast ausschließlich. Viele Arten werden durch Insektenbefall oder veränderte Standortbedingungen geschwächt. In Grünanlagen fällen wir gelegentlich Bäume, um eine beeindruckende Sicht auf die Stadt zu ermöglichen. Zum Beispiel am Nordpark. Wir versuchen jedoch, dabei vorsichtig vorzugehen. Wir sollten die Besonderheit der wunderbaren Ausblicke in Wuppertal erhalten.

Es heißt, die Stadt fälle Bäume, um Haftungsschäden vorzubeugen.

Berendes: Prophylaktisch fällen wir keinen Baum. Nur, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert. Das betrifft pro Jahr zwischen 100 und 200 Bäume in Grünanlagen und im Straßenraum. In den meisten Fällen werden sie ersetzt.

Haben Sie Haftungsfälle?

Berendes: Bürger reichen pro Jahr 15 bis 20 Meldungen ein, etwa, wenn ein Ast ein Auto getroffen hat. In zirka zehn Prozent der Fälle kann die Stadt haftbar gemacht werden.

Wie stellen Sie fest, in welchem Zustand ein Baum ist?

Berendes: Wir haben zertifizierte Kontrolleure, einen für die 20 000 Straßenbäume, sieben für die Grünanlagen, die diese Aufgabe neben vielen anderen wahrnehmen. Personell ist es sehr eng. Die Prüf-Intervalle liegen zwischen drei Monaten und drei Jahren, je nach Alter, Größe und Zustand der Bäume.

Urteilen die Kontrolleure denn immer richtig?

Berendes: In Zweifelsfällen lassen wir externe Gutachter kommen. Wir machen es uns nicht leicht, wir wollen die Bäume so lange wie möglich erhalten. Manchmal können wir geschädigte Kronen mit Seilen sichern. Aber bei gefährlichem Pilzbefall zum Beispiel muss schnell gehandelt werden. Häufig sind solche Anzeichen für Bürger nicht wahrnehmbar, daher zeigen sie oft Unverständnis.

In der Tat befürchten viele, dass Wuppertal an Grün verliert.

Berendes: Im Straßenraum wird eins zu eins nachgepflanzt. In den Grünanlagen und im Forst verjüngt sich der Baumbestand meist selbst. Die Forstfläche ist seit 1997 um 155 Hektar gewachsen, dieses Jahr wurden 3400 Pflanzen neu eingebracht. Trotzdem bin ich froh, dass sich Bürger um die Bäume sorgen.

Inwiefern?

Berendes: Etliche Bürger möchten städtische Bäume entfernt haben. Sie stören sich daran, dass sie Laub oder Blüten abwerfen oder den Garten verschatten. Pro Jahr gehen etwa 100 solcher Anträge ein. Wir investieren viel Zeit in Gespräche, um zu erklären, warum die Bäume erhalten bleiben. Es kommt auch immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.

Gibt es noch Kahlschläge im Forst? Stichwort: Holz-Vermarktung?

Berendes: Nein, seit Jahrzehnten nicht mehr. Wir hören aber öfter den Vorwurf, dass wir Bäume fällen, um das Holz teuer zu verkaufen.

Stimmt das?

Berendes: 2013 wurden in den Stadtwäldern 5191 Festmeter Holz geerntet und vermarktet. Das deckt bei Weitem nicht unsere Ausgaben. Etliche alte Bäume haben beispielsweise Bombensplitter, die lassen sich nicht vermarkten.

Sie pflanzen viele extra gezüchtete Arten. Warum?

Berendes: Abgase, wenige Quadratmeter Wurzelraum, eventuell wenig Wasser, enge Straßen: Damit müssen Bäume umgehen können. Wir pflanzen darauf ausgerichtete, gezüchtete Sorten von Hainbuchen, Ahorn, Linden und Mehlbeeren. Sie wachsen nicht so sehr in die Breite, machen die Straße grün, aber nicht dunkel. Auch große Bäume wie die Platanen in unseren alten Alleen sind adaptierte Sorten, die sich hier gut bewährt haben. Platanen können im Straßenraum bis zu 100 Jahre alt werden.

Haben wir bald keine heimischen Bäume mehr?

Berendes: Unter anderem wegen Pilzbefalls gibt es nur noch sehr wenige Feld-Ulmen, auch die Anzahl der Kastanien geht zurück. Es hat sich aber keine Baumart komplett aus Wuppertal verabschiedet. Und die Grünanlagen bieten immer genug Platz für heimische Kastanien, Eichen und Linden.

Welche Exoten finden sich hier?

Berendes: Im Botanischen Garten möchten wir viele Raritäten zeigen wie den japanischen Kuchenbaum, den Wald-Tupelobaum und Amerikanisches Gelbholz. Dessen Saft wurde in der Textilindustrie verwendet, das passt gut zu Wuppertal.

Wann werden die nächsten Bäume gepflanzt?

Berendes: Im kommenden Winterhalbjahr. Wir pflanzen jedes Jahr zwischen 80 und 120 Bäumen nach. Das wollen wir auch so beibehalten.

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