WZ-Interview mit Christina Rau: „Meine Heimat ist dort, wo ich gerade bin“

Christina Rau, Witwe von Johannes Rau, spricht gegenüber der WZ über ihr Zuhause, über ihren vor zwei Jahren verstorbenen Mann und über Wuppertal.

Wuppertal. Frau Rau, schön, dass Sie wieder in Wuppertal sind. Anlass ist ein Termin, den Sie für die Johannes-Rau-Stiftung wahrnehmen. Wie eng ist darüber hinaus noch Ihre Bindung an Wuppertal?Christina Rau: Wir haben uns noch zu Lebzeiten meines Mannes für Berlin als ersten Wohnsitz entschieden, vor allem wegen der Kinder. Aber natürlich ist der Kontakt zu Wuppertal nie abgebrochen. Im Gegenteil. Ich bin noch vergleichsweise oft in der Stadt, um Familie und Freunde zu besuchen. Natürlich gibt es da auch noch die Johannes-Rau-Stiftung, die ja in erster Linie Projekte in der Heimatstadt meines Mannes unterstützt. Bei dieser Aufgabe unterstützt mich inzwischen meine Tochter Anna, die mit im Stiftungsvorstand sitzt. Ihre Kinder haben also auch noch Bezüge ins Bergische Land.Rau: Vereinzelt, wobei die Freundinnen und Freunde aus Schulzeiten mittlerweile ebenfalls zum Studieren in alle Welt ausgeschwärmt sind. Sie selbst sind ja auch in Münster, Berlin und London eingeschrieben.

"Die Anteilnahme war überwältigend" Christina Rau über die Trauer um Johannes Rau

Wo ist Ihre Heimat?Rau: Eine gute Frage, die schwer zu beantworten ist. Ich denke aber, dass meine Heimat dort ist, wo ich gerade bin. Das heißt, wo meine Freunde sind, da ist mein Zuhause. Wenn ich zum Beispiel im Anflug auf London bin, dann ist das für mich ebenfalls wie ein Nachhausekommen, weil ich lange in der Stadt gelebt habe. Dies gilt natürlich auch und in besonderem Maß für Wuppertal. In dieser Stadt leben viele Familienmitglieder und Freunde, unsere Kinder haben in Wuppertal eine der prägendsten Phasen ihrer Entwicklung durchlebt. Als ihr Mann vor zwei Jahren starb, war die Anteilnahme in seiner Heimatstadt unglaublich. Die Menschen haben Johannes Rau immer geliebt und haben dies nach dem Tod sehr eindrucksvoll gezeigt.Rau: Das stimmt, die Anteilnahme war überwältigend. Deshalb wird Wuppertal auch immer eine herausragende Stellung einnehmen. Nirgendwo sonst ist das Verhältnis zu den Menschen so herzlich. Noch immer? Oder lässt Prominenz auch nach?Rau: Keine Frage, es ist viel ruhiger geworden. Aber das Erbe meines Mannes wird schon noch sehr hoch gehalten. Das gilt für Wuppertal ganz besonders, ohne Zweifel, ist aber anderswo ebenfalls so. Die Menschen freuen sich, wenn sie mich sehen. Sie denken dabei sicher auch: Wenn schon ihr Mann nicht kommen kann, dann ist wenigstens sie da. Fünf Schulen tragen seinen Namen, zwei davon sind in Wuppertal. Es gibt einen Johannes-Rau-Platz in Düsseldorf, und hier in Wuppertal ist der Rathausvorplatz nach Ihrem Mann benannt.Rau: Über die Schulen freue ich mich besonders, weil die Schüler ein wenig davon erfahren, wie ihr Namenspatron sich über Jahrzehnte dafür eingesetzt hat, dass das Leben der Menschen jeden Tag ein wenig lebenswerter wird und dass unsere Gesellschaft davon lebt, dass jeder sich mit seinen Gaben für seine Mitmenschen einsetzt. Werden Sie noch oft von Menschen um Hilfe gebeten?Rau: Ich erhalte immer noch jede Menge Post und Anfragen, denen ich mich bemühe, gerecht zu werden, aber auch oft absagen muss. Ich habe zahlreiche Ehrenämter, mit denen ich Menschen helfen kann, darunter die Mitarbeit im Kuratorium der Zeit-Stiftung, der Verwaltungsrat der Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, die Kindernothilfe und natürlich die Johannes-Rau-Stiftung.

"Zeit muss man sich nehmen" Christina Rau über ihre Ehrenämter

Das klingt nach einem ausgefüllten Tag.Rau: Als Stress empfinde ich das aber nicht. Ich habe immer nach dem Motto gelebt und gehandelt: Zeit muss man sich nehmen. Wenn Sie heute durch Wuppertal gehen, dann sehen Sie zum Beispiel die Universität, die die Stadt Ihrem Mann zu verdanken hat. Offensichtlich sind aber auch die Strukturprobleme der Stadt. Bereitet Ihnen das Sorge?Rau: Man kann natürlich nicht die Augen verschließen vor den Problemen, die diese Stadt hat. Aber ich kenne die Wuppertaler, ich weiß um ihre bodenständige Mentalität. Und ohne mich in die Kommunalpolitik einmischen zu wollen, steht für mich fest: Die Menschen hier sind entschlossen und mit hohem Durchhaltevermögen ausgestattet. Die lassen sich und ihre Stadt nicht runterziehen, komme was da wolle.

Vielen Dank für das Gespräch.

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