Digitale Revolution im Kino: Filmvorführer hat ausgedient

Die analogen Projektoren mit den Filmrollen weichen der neuen Technik. Die Bilder kommen von der Festplatte.

Neuss/Wuppertal. Detlef Ritz steht in einem dunklen, engen Raum und hat den Finger am Startknopf der FP 30. Wenige Meter unter ihm warten dutzende Menschen darauf, dass er seinen Job macht. Einige Minuten später werden sie in eine andere Welt eintauchen. Vielleicht werden sie lachen, vielleicht aber auch weinen. Denn die FP 30 ist ein Projektor und Detlef Ritz ist Filmvorführer.

Doch diese Szene gehört seit einigen Tagen der Vergangenheit an: Es laufen nicht mehr 3000 Meter Film durch den Projektor, wenn er den Startknopf drückt, sondern mehrere tausend Megabyte — die digitale Technik hat Einzug ins Programmkino „Hitch“ in Neuss gehalten. Wer schon mal einen Film in 3 D gesehen hat, hat einen digitalen Film gesehen, aber auch die „flachen“ Filme werden zunehmend von Festplatten auf die Leinwand geworfen.

Kino-Nostalgikern wie Detlef Ritz tut das ein bisschen weh: „Ich würde gerne noch 25 Jahre analoge Filme zeigen, aber es geht nicht.“ Dem „Hitch“-Chef blieb keine Wahl, denn besonders die kleinen Arthouse-Filme gibt es aus Kostengründen oft gar nicht mehr als klassische 35-Millimeter-Kopie. „Ich musste richtig Gas geben bei der Digitalisierung, sonst hätte ich in zwei Monaten zumachen können“, sagt Ritz.

Im Multiplex-Kino Cinemaxx in Wuppertal ist die Technik schon viel weiter fortgeschritten: Bereits seit Dezember 2009, zum Start von James Camerons „Avatar“, gibt es dort digitale Projektoren. Seit etwa zwei Monaten sind alle neun Säle digitalisiert, Filmvorführer gibt es nicht mehr. Die sogenannten Shows, in denen Werbung, Trailer und der Film zusammengestellt sind, werden von einem externen Dienstleister aus Hamburg direkt ins Kino überspielt.

Wenn auch der Film von der angelieferten Festplatte auf dem Wuppertaler Server ist, gibt es kaum noch Arbeit: „Wenn wir morgens kommen, schalten wir den Ton-Tower ein und abends wieder aus. Der Rest läuft auf Stand-by“, erklärt Betriebsleiter-Assistent Andreas Labadas, warum es keine Filmvorführer mehr gibt. Vor Ort muss nicht einmal mehr ein Startknopf gedrückt werden, denn auch die Anfangszeiten sind auf dem Server festgelegt.

Und die Besucher? „Wir haben ein gigantisches Bild und einen tollen Ton. Die Gäste sind glücklich“, sagt Labadas. Es sei ein „mulmiges Gefühl“ gewesen, als sich die Maschinen erstmals vollkommen automatisch gestartet hätten, aber bis auf kleine Kinderkrankheiten laufe das System einwandfrei. Beschwerden von Besuchern, die früher oft durch menschliche Fehler ausgelöst wurden, gebe es nicht mehr.

Nostalgiker wie Detlef Ritz sehen das etwas anders: „Ich mag das Bild nicht, es sieht irgendwie klinisch aus.“ Den digitalen Projektor hat er deshalb neben die FP 30 bauen lassen, will sie vielleicht für eine Reihe mit alten Filmen nutzen. „Das ist wie mit der alten Plattensammlung: Da ärgert sich heute auch jeder, der komplett auf CD umgestiegen ist.“

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